Camel Up: Tipps für Gewinner

Darf ich vorstellen: Camel Up, Spiel des Jahres 2014. Nach anfänglicher Skepsis hat mich das Spiel nach einigen Partien nicht nur überzeugt, sondern in seinen Bann gezogen. Es handelt sich bei Camel Up um ein Kamelrennen, bei dem die Spieler Wetten auf den Ausgang des Rennens sowie der einzelnen Rennetappen abschließen.

Viele Spieler kritisieren den hohen Glücksfaktor bei Camel Up. Und sie haben selbstverständlich Recht, dass kurzfristig das Glück eine große Rolle spielt. Doch Camel Up ist vergleichbar mit Poker: Kurzfristig kann der gute Spieler trotz richtiger Entscheidungen Spiele verlieren, langfristig wird er mehr Begegnungen gewinnen als seine Mitspieler.

Camel Up hat mit Poker vor allem die große Bedeutung von Wahrscheinlichkeiten gemeinsam. Die Kamele ziehen anhand von Würfelergebnissen, weshalb Siegwahrscheinlichkeiten der einzelnen Farben mit der Wahrscheinlichkeitsrechnung ermittelt werden können.

Auf welche Art und Weise maximiert man also bei Camel Up seine Siegchancen?

Im Zentrum des Spiels: Erwartungswerte berechnen

Der Kern des Spiels ist die Berechnung von Erwartungswerten. Der ziehende Spieler hat vier Möglichkeiten. Er kann auf den Etappensieger wetten, sein Wüstenplättchen platzieren, Würfeln oder auf den Gesamtsieger bzw. den Gesamtletzten setzen. Die wesentliche Frage lautet dabei: Welche Handlung beschert mir vorraussichtlich das meiste Geld? Zunächst geht es also um die Berechnung der Erwartungswerte, dann um die Wahl der vielversprechendsten Alternative.

1. Schritt: Erwartungswerte der vier Alternativen berechnen

1. Wette auf den Etappensieger

Um einen Erwartungswert zu ermitteln, muss ich die Siegwahrscheinlichkeiten der einzelnen Kamele berechnen oder schätzen.

Im Folgenden zwei Beispiele, wie man dabei vorgeht. Im ersten Beispiel befinden sich noch zwei Würfel in der Pyramide, im zweiten drei. Schon die Berechnung der Wahrscheinlichkeiten bei drei Würfeln ist sehr umfangreich, da es an dieser Stelle bereits 3x2x1 x3x3x3= 162 verschiedene Würfelergebnisse gibt. Bei vier ausstehenden Würfeln haben wir es sogar mit 4x3x2x1 x3x3x3x3= 1944 unterschiedlichen Würfelergebnissen zu tun. Dies macht die Berechnung der Wahrscheinlichkeit bei mehr als drei Würfeln extrem kompliziert.

Etappensiegwahrscheinlichkeit bei zwei Würfeln

Camel Up 2Würfel
Bild 1: Gelb befindet sich an zweiter Position und wird blau in jedem Fall einholen, weil sowohl gelb als auch rot noch würfeln. Rot ist der Verfolger, der ebenfalls noch die Etappe gewinnen kann. Bei einer roten Eins landet das Kamel jedoch nicht unter den Top2.

Wir berechnen die Siegwahrscheinlichkeit für Rot.  Dazu machen wir uns die sechs unterschiedlichen Startwürfel klar.

1) Rot würfelt direkt eine Eins und reitet dann auf Gelb zum Etappensieg (Wahrscheinlichkeit: 1/2 x 1/3=1/6).

2) Rot würfelt direkt eine 2 und kann damit die Etappe nicht gewinnen

3) Rot würfelt direkt eine 3, dann würfelt Gelb eine 1 (WS: 1/2 x 1/3 x 1/3= 1/18)

4) Gelb würfelt zuerst eine 1, Rot dann eine Zwei oder Drei( WS: 1/2 x 1/3 x 2/3= 2/18)

5) Gelb würfelt zuerst eine 2, Rot dann eine 3 (WS: 1/2 x 1/3 x 1/3 = 1/18)

6) Gelb würfelt zuerst eine 3. Damit kann Rot die Etappe nicht mehr gewinnen.

Die Additition führt uns zu 7/18 Gesamtwahrscheinlichkeit. Rot wird also in etwa 39 Prozent der Fälle die Etappe gewinnen, Gelb kommt entsprechend der Gegenwahrscheinlichkeit auf etwa 61 Prozent.

Etappensiegwahrscheinlichkeit bei drei Würfeln

Camel Up 3 Würfel
Bild 2: Blau, Gelb und Rot ziehen noch. Blau ist ganz vorne, Gelb lauert direkt dahinter und rot wartet auf Fehler der beiden Vorgänger.

Wir möchten nun die Etappensiegwahrscheinlichkeit für Blau ermitteln.

Hier betrachten wir erneut die Startwürfel. Bei drei Würfeln gibt es insgesamt 3×3 Möglichkeiten für das nächste Würfelergebnis.

1) Blau würfelt eine 1. Blau gewinnt, wenn im Folgenden eine gelbe Eins fällt und maximal eine rote zwei oder wenn zuerst maximal eine rote Zwei gewürfelt wird und dann eine gelbe Eins (Wahrscheinlichkeit: 1/3 x 1/3 x 1/3 x 2/3 + 1/3 x 1/3 x 2/3 x 1/3 = 4/81)

2) Blaue Zwei zuerst: Gelb darf maximal eine Zwei würfeln. ( WS: 1/3 x 1/3 x 2/3 = 2/27)

3) Blaue Drei zuerst: Blau ist nicht mehr einholbar und gewinnt die Etappe: (WS: 1/3 x 1/3 = 1/9)

Weiter geht es mit der roten Eins, also den sechs weiteren Startwürfeln. Ich erhalte als Wahrscheinlichkeit für den blauen Etappensieg 84/162 = 51,85 Prozent.

Der Rechenaufwand bei drei ausstehenden Würfeln ist also bereits enorm und in einer schnellen Partie kaum zu bewerkstelligen. Zusätzliche Würfel machen die Kalkulation noch einmal viel komplizierter. Wüstenplättchen verkomplizieren die Rechnung im Kopf, jedoch nicht auf dem Papier. Ab vier Würfeln kann man also Siegeswahrscheinlichkeiten nur noch schätzen. Klar ist jedoch, dass Computer zu jedem Zeitpunkt des Spiels Gewinnwahrscheinlichkeiten der einzelnen Kamele liefern könnten und dass die Spieler damit optimale Entscheidungen treffen könnten.

Doch genau diese Unkalkulierbarkeit für den menschlichen Geist macht den Reiz des Spiels aus.

Zur Berechnung des Erwartungswertes einer Wette auf den Etappensieger. Wette ich auf einen Etappensieger bekomme ich die Anzahl an Punkten, die auf dem Wettplättchen aufgedruckt ist. Wird das Kamel Zweiter, erhalte ich ein Geldstück und bei einer schlechteren Platzierung zahle ich ein Ägyptisches Pfund an die Bank. Kommen wir zurück zu Beispiel 1: Camel Up 2Würfel

Nehmen wir an, ich habe die Option ein rotes 5-Geld-Plättchen zu nehmen.Um den Erwartungswert zu ermitteln, müssen wir auch die Wahrscheinlichkeiten einer Zweitplatzierung sowie des undankbaren dritten Platzes berechnen.

Wie hoch ist also die Wahrscheinlichkeit, dass Rot auf Platz 2 landet? Wenn rot zuerst würfelt, erreicht das Kamel mindestens Platz 2. Nur wenn zuerst Gelb würfelt und dann eine rote 1 folgt, erreicht Rot nur Platz 3. Folglich berechnet sich die Wahrscheinlichkeit für Rang 3 wie folgt: 1/2 x 1/3 = 1/6. Die Wahrscheinlichkeit von Rang 2 ergibt sich dann durch die Rechnung 1- Wahrscheinlichkeit Rang 1- Wahrscheinlichkeit Rang 3 = 1- 0,39-0,17 = 0,44

Der Erwartungswert des roten 5er-Plättchens berechnet sich wie folgt: 0,39 x 5 + 0,44 x 1 + 0,17 x(-1) = 2,22 Geldeinheiten. Ich werde also im Durchscnitt 2,22 Ägyptische Pfund durch diese Entscheidung verdienen.

Nehmen wir an, dass als Alternative noch das gelbe 3-Geld-Plättchen verfügbar ist. Lohnt sich nun das gelbe oder das rote Geldplättchen? Dazu berechnen wir den Erwartungswert des gelben Plättchens: 0,61 x 3 + 0,39 x 1 + 0 x (-1) = 2,22 Geldeinheiten.

Folglich sind in diesem Fall das rote 5er-Plättchen und sein gelbes 3er-Pendant ziemlich gleichwertig..

Wir behalten also den Erwartungswert von 2,22 als Investition in den Etappensieger im Hinterkopf und vergleichen diesen Wert in der Folge mit dem Erwartungswert der Alternativen.

2. Würfeln

Wer mitdenkt, der weiß an dieser Stelle, wie hoch der Erwartungswert des Würfelns ist. Da ich einen sicheren Geldbetrag von einem Pfund erhalte, entspricht der Erwartungswert einer Geldeinheit.

3. Wüstenplättchen

Für das Platzieren des eigenen Wüstenplättchens ist der Erwartungswert sehr schwer zu berechnen. Hierbei ist zu bedenken, dass ich durch diese Plättchen einerseits Geld bekomme, sobald eine Kameleinheit auf dieses Feld kommt. Gleichzeitig beeinflusse ich jedoch die Siegwahrscheinlichkeiten der Kamele sowohl in Bezug auf die Etappe als auch auf das Gesamtfinish. Ich sollte also versuchen, dass ich die Kamele günstig beeinflusse, auf die ich gesetzt habe. Klar ist, dass Wüstenplättchen relativ früh platziert werden sollten, damit die Wahrscheinlichkeit des Besuchs von Kameleinheiten besonders groß ist.

4. Wette auf den Gesamtsieger/ -verlierer

Die Wette auf den Gesamtsieger und – verlierer kann sich bezahlt machen, vor allem, wenn ich der erste bin, der auf das entsprechende Kamel setzt. Zurück zum Beispiel 1. Ich tippe, dass das gelbe Kamel die größten Erfolgschancen besitzt und mit 25 Prozent Wahrscheinlichkeit das Rennen gewinnt und ich bin sicher, dass ich der erste mit dem Tipp wäre. Der Erwartungswert dieser Entscheidung beträgt dann 0,25 x 8 – 0,75 x 1 = 1,25 Geldeinheiten.

2. Schritt: Vergleich der Erwartungswerte

Wir haben folgende vier Erwartungswerte als Optimum der einzelnen Kategorien ermittelt.

1) Etappensieger: 2,22

2) Würfeln: 1

3) Wüstenplättchen 0,6 (aus dem Bauch heraus geschätzt)

4) Gesamtsieger: 1,25

Folglich besteht meine mathematisch optimale Entscheidung in diesem Beispiel darin, auf den Etappensieger zu setzen. Ich nehme also das rote 5-Pfund-Kamel-Etappenplättchen oder das gleichwertige gelbe 3-Pfund-Plättchen.

Wüstenplättchen lohnen sich eher am Anfang, Wetten auf den Etappensieger am Ende einer Etappe

Gut platzierte Wüstenplättchen haben am Anfang einen relativ guten Erwartungswert, da viele Würfel auf das Wüstenplättchen führen können und dann eine zusätzliche Geldeinheit einbringen. Im Gegensatz dazu werden die Etappenplättchen zum Ende einer jeden Etappe, wenn nur noch wenige Würfel offen sind, immer stärker, da sich Favoriten abzeichnen.

Wann es sich lohnt, nicht mehr allein auf die Erwartungswerte zu schauen

Es kann Sinn machen, sich für eine Veriante zu entscheiden, die nicht meinen Erwartungswert maximiert, sondern mir einen guten Ergebnisrang sichert. Beispiel: Ich führe mit einigen Punkten vor meinem Verfolger und die beiden weiteren Mitspieler sind weit abgeschlagen. Mein Verfolger  nahm zu Beginn der Etappe in Beispiel 1 das gelbe 5-Geld-Plättchen. Nun kann bei der Abwägung zwischen gelbes 3-Geld-Plättchen und rotes 5-Geld-Plättchen für mich das gelbe 3-Geld-Plättchen Sinn machen, obwohl dieses einen schlechteren Erwartungswert hat.  Der Zweck ist, dass ich mich gegen den Erfolg des gelben Kamels absichere und im schlimmsten Falle zwei Punkte auf meinen Verfolger verliere.

Gerade bei zwei Spielern ist das im vorherigen Abschnitt beschriebene Verhalten wichtig. Hier geht es nicht mehr um Erwartungswerte allein, sondern um die mögliche Punktzahl im Verhältnis zum Gegner.

Über das Etappenende hinweg denken

Es kann Sinn machen, sich nicht für den Wurf des letzten Würfels zu entscheiden, weil der nach mir folgende Spieler die nächste Etappe beginnen würde und dann eine sehr gute Option hätte, beispielsweise durch einen relativ sicheren Tipp auf den Etappensieger. Hier kann es sich also lohnen, eine vom Erwartungswert etwas schlechtere Aktion als Würfeln zu wählen.

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