Poker-Vlogs sprießen bei Youtube aus dem Boden wie Pilze. Ein neues Phänomen, dessen Vorreiter ein gewisser Andrew Neeme war.
Was ist von diesem Phänomen zu halten und ist der Pokerlifestyle tatsächlich erstrebenswert?
Andrew Neeme (sprich: Nimi) wohnt in Las Vegas, Nevada, und verdient sein Geld als professioneller Pokerspieler. In seinem Videotagebuch auf Youtube berichtet er von Ausflügen in Kasinos, Bars und vermittelt seine Sicht über das Leben als Pokerprofi.
Die meiste Zeit spielt Neeme No-Limit-Holdem Cash Games. Das sind Spiele, bei denen sich Teilnehmer jederzeit an einen Tisch setzen und diesen wieder verlassen können. Meistens gewinnt der Profi, manchmal verliert er. Insgesamt kann er wohl sehr gut von den Einnahmen leben.
Zunehmende Popularität
Der Pokervlog von Andrew Neeme feiert große Erfolge bei Youtube. Vor acht Monaten, im Oktober 2016, gestartet, verfügt sein Videokanal mittlerweile über 58.000 Abonnenten. Die Videos erreichen typischerweise zwischen 50 und 120 Tausend Aufrufe. Viele weitere Pokerspieler haben ebenfalls einen eigenen Youtubekanal gegründet.
Von seinen Fans bekommt Neeme aus der ganzen Welt Pokerchips und andere Gegenstände wie T-Shirts oder Taschenmesser, die dieser vor laufender Kamera auspackt.
Was führt zum großen Erfolg von Andrew Neeme, dem viele Pokerspieler gefolgt sind und eigene Videoblogs über ihr Pokerleben herausbringen?
Einerseits ist da die Tatsache, dass Andrew Neeme ein sympathischer, reflektierender und intelligenter Mensch ist. Er verfügt über gute analytische Fähigkeiten, mit denen er, soweit ich das beurteilen kann, gute Entscheidungen beim Pokern trifft.
Der Traum von einem anderen Job
Dann ist da die künstlerische Seite von seinen Videos. Das fängt bei der Auswahl passender Musik an, geht über spektakuläre Drohnenbilder von Las Vegas und Umgebung und hört bei der Auswahl schöner Lokalitäten wie Bars, Wasserfälle oder Strände auf.
Und dann ist da das vielleicht wichtigste Argument, weshalb sich viele Leute seine Videos gerne ansehen. Wer unzufrieden mit seinem Job ist und sich ein anderes Leben erhofft, der kann sich für einige Minuten in das Leben eines professionellen Pokerspielers hineinträumen. Selbständig arbeiten, wo und wann man möchte, gutes Einkommen, der Nervenkitzel des Glücksfaktors beim Poker und die Freiheit, auch kurzfristig einfach zuhause zu bleiben.
Neeme selbst verschweigt nicht, dass sein Beruf Nachteile mit sich bringt. Da sind Phasen, in denen ihm das nötige Glück fehlt oder er falsche Entscheidungen trifft und über mehrere Wochen Geld verliert. Zudem geht man keiner geregelten Arbeit mit immer wieder denselben Kollegen nach, sondern man begibt sich immer wieder mit neuen Rivalen in den Kampf um die Chips.
Der Youtuber erwähnt in einem Video, er kenne mehrere andere Profispieler in Las Vegas, mit denen er reglmäßig in einer WhatsApp-Gruppe schreibe und diese auch regelmäßig treffe. Allerdings dürfte es für viele Menschen ein Problem sein, bei der Arbeit selbst immer wieder auf neue Menschen und gleichzeitig Rivalen zu treffen.
Unter einem Video von Neeme kommentiert ein anderer Profispieler. Er sagt, dass er das professionelle Pokerspielen und inbesondere die fertigen und unzufriedenen Menschen satt habe. Livepoker sei jedoch der einzige Job, der ihm bei seiner Ausbildung 80 Dollar pro Stunde zahle. Neeme kommentiert widerum den Kommentar, dass er Verständnis für diese Ansicht habe.
Tatsächlich startete Andrew Neeme seinen Vlog aus dem Gefühl, dass das regelmäßige Pokerspielen ihn nicht ausfüllte.
Glücksspielsucht kein Thema
Ich habe noch nie Livepoker in einem Kasino gespielt. Doch ich bin mir sicher, dass dort im Allgemeinen nicht gerade die inspirierendsten Menschen zu finden sind. Wieviele der Spieler dort haben Probleme, die sie mit dem Kick des Glücksspiels überdecken? Wie viele der Kasinogänger sind pathologische Spieler?
Ein Hinweis darauf, dass ein Problem in einer bestimmten Szene besteht, kann darin liegen, dass es von fast allen verschwiegen wird. Und schaut man sich Videos nicht nur von Neeme, sondern auch von Größen wie Doug Polk oder Daniel Negreanu an, so ist Glücksspielsucht kaum ein Thema. Anders als in der Realität der glitzernden Welt der Pokerstars.
Im Extremfall läuft es darauf hinaus, dass professionelle Pokerspieler vergleichbar sind mit den Betreibern von Glücksspielautomaten: Sie knöpfen Süchtigen, die die Kontrolle über ihr Verhalten verloren haben, ihr Geld ab.
Mal von der Glücksspielproblematik abgesehen: Ein Pokerspieler erschafft keinen zusätzlichen Wert. Der Geldbetrag, den er und das Kasino gewinnen, ist das, was andere Menschen verlieren.
Es wird spannend zu verfolgen, wohin der Weg des Andrew Neeme führt. Er selbst sagt in einem kürzlich erschienenen Livestream, er wisse nicht genau, wie seine nähere Zukunft aussehen werde. Vielleicht gelingt es ihm ja, mit Videos zu einem anderen Thema Erfolg zu haben.