Carsharing: Kostenkalkulation aus Sicht eines Anbieters

Ein spannendes Phänomen unserer Zeit ist Carsharing. Seit Jahren steigen die Nutzerzahlen. Gerade für Bewohner größerer Städte, die ein Auto nur ab und zu benutzen, ist Carsharing die günstigere Alternative zum Halten eines eigenen Autos.

Neben den Vorteilen für den Kunden interessiert mich, wie die Anbieter von Carsharing kalkulieren. Ich habe mich hingesetzt und für den Anbieter DriveNow, der BMW und Sixt gehört, eine Kalkulation für ein Auto in Berlin erstellt.

Ob Carsharing dabei die Umwelt schont, ist jedoch noch nicht ausreichend geklärt. Dafür spricht der Teil der Menschen, der vom eigenen PKW zum Carsharing gewechselt ist. Dem gegenüber stehen jedoch etliche Menschen, die vorher kein eigenes Auto hatten und nun Autofahrer werden.

Ich als potentieller Kunde bin jedenfalls fasziniert von der Idee, dass mehrere Menschen ein Auto teilen im Gegensatz zur Situation, dass jeder sein eigenes Auto anschafft und dieses 90 Prozent der Zeit als Statussymbol vor dem Haus stehen hat.

Nun zu meiner Rechnung aus Anbietersicht. Vorweg möchte ich sagen: Es ist sehr schwer, die Höhe der einzelnen Kostenteile vernünftig zu schätzen. Das fängt bei der Frage an, wieviel Geld DriveNow an den Hersteller und Eigentümer BMW für ein neues Auto überweist, geht damit weiter, wie viel so ein Carsharing Anbieter eigentlich für Parkgebühren und Reparaturen, Wartung & Tanken aufwendet und hört bei der wichtigen Frage auf, wie viele Fahrten mit einem Auto pro Tag getätigt werden und wieviele Kilometer der durchschnittliche Fahrer in seinem Vehikel zurücklegt.

Auch an die Berechnung der Erlöse habe ich mich gewagt. Die Kunden dieses Anbieters zahlen für jede Fahrtminute und jede reservierte Parkminute einen Preis. Daneben gibt es auf der Erlösseite noch Einnahmen durch eine Anmeldegebühr (29 Euro bei 30 Freiminuten im Januar 2015) und einen nicht zu vernachlässigenden Werbeeffekt für die Automarken.

Carsharing Kalkulation2Nun folgt eine Erläuterung der einzelnen Kosten- und Erlöspositionen in meiner Rechnung. Den geschätzten Kaufpreis des BMW Mini habe ich gemäß einer Nutzungsdauer von drei Jahren unter 1. linear auf die Jahre aufgeteilt. Carsharing-Autos werden oft nicht länger als drei Jahre genutzt. Die Werte 2. und 3. für Autoversicherung und Kfz-Steuer habe ich von hier übernommen.

Bei 4. wird es interessant. Anbieter des sogenannten Free-Floating-Carsharings, zu denen DriveNow zählt, sehen ihre Autos im gesamten Stadtgebiet verstreut abgestellt. Neben dem Auftanken der Autos hat das Personal also von Zeit zu Zeit die Aufgabe, weitab vom Schuss abgestellte Autos wieder in ein lukrativeres Gebiet zurückzufahren. Hier habe ich Kosten von 10 Euro pro Tag angesetzt.

Auch bei 5. kommt ein spannender Punkt. Parkgebühren. Kunden von DriveNow zahlen keine Parkgebühren beim Abstellen des Autos. Was zahlt aber der Anbieter an die Städte für für Menschen mit eigenem PKW meist kostenpflichtige Parkplätze? Ein Artikel des Tagesspiegel sagt, Anbieter von Free-Floating zahlen überhaupt nichts! Ich habe hier also mit Parkgebühren von 0 Euro gerechnet.

Letzter Kostenpunkt unter 7. sind die Benzinkosten. Dazu ist zunächst einmal wichtig, die gefahrenen Kilometer pro Fahrt zu wissen. Dazu gibt dieser Artikel einen ersten Anhaltspunkt: Ein Großteil der Fahrten findet demnach auf Strecken unter fünf Kilometern statt. Wir rechnen mit einer Durchschnittsstrecke von sechs Kilometern pro Fahrt, die sich bei einer täglichen Auslastung eines Autos von 78 Minuten laut getmobility.de  und einer Anzahl von vier Fahrten pro Tag herleiten lässt. Zudem gehen wir von 340 Nutzungstagen aus und erhalten eine Laufleistung von 8160 Kilometern. Das ergibt bei 9 Litern auf 100 Kilometern und einem Dieselpreis von 1,10 Euro pro Liter jährliche Kosten von etwa 808 Euro.

Weiter geht’s mit den Einnahmen. Wir rechnen weiterhin mit den ermittelten vier Fahrten pro Tag. Für unsere durchschnittliche 6 Kilometer lange Strecke sollte man in Berlin ungefähr 20 Minuten brauchen. Bei 80 Minuten Fahrtzeit ergeben sich Einnahmen in Höhe von 24,80 Euro pro Tag (9.) und 8432 Euro pro Jahr (10.). Hinzu kommen Einnahmen durch das reservierte Parken von 3 Euro täglich (12.) respektive 1020 Euro im Jahr (13.).

Zieht man von den Einnahmen die Kosten ab, so ergibt sich ein Überschuss von etwa 19 Euro. Bei 650 Autos in Berlin entspricht das einem Gesamtbetrag von knapp 12.000 Euro im Jahr. Ebenfalls dürfen wir die Zusatzeinnahmen durch die Anmeldung neuer Kunden nicht vergessen. Bei geschätzten 20.000 Neukunden im Jahr und  ebenfalls geschätzten Zusatzeinnahmen von 22 Euro je Kunde ergeben sich zusätzliche 440.000 Euro. Der Gesamtbetrag von 452.000 Euro ist jedoch nicht etwa der Gewinn, sondern von diesem Geld müssen die Kosten der Zentrale (Manager, Verwaltung, etc.) gedeckt werden.

Der geringe Überschuss von nur 19 Euro pro Auto vor Berücksichtigung der Einnahmen durch Neukunden macht deutlich, dass es sich wie bei den Fernbussen um einen umkämpften Markt handelt. Sobald beispielsweise die Personalkosten für Umparken und Tanken um zwei Euro pro Tag höher sind als angenommen, wird für jedes Auto ein negatives Ergebnis von über 660 Euro erzielt. Es gäbe dann bei Berücksichtigung der Neukundenzahlungen nicht nur kein Geld zur Deckung der zentralen Kosten, sondern einen Fehlbetrag von fast 190.000 Euro! Ebenso würden Parkkosten sehr schnell zu Verlusten führen.

Interessant in diesem Zusammenhang noch: Als einer von wenigen Carsharing-Anbietern tauscht DriveNow seine Carsharing-Autos wohl bereits nach nur einem Nutzungsjahr aus. Dies verdeutlicht, dass BMW Carsharing in hohem Maße als eine Werbeaktion betrachtet, denn diese Maßnahme treibt die Kosten stark in die Höhe. Der Werteverlust eines Autos ist nämlich im ersten Jahr seiner Nutzung am höchsten. Mich hat schon überrascht, dass Anbieter ihre Flotte bereits nach drei Jahren Nutzung austauschen, aber ein Jahr?!?

 

photo credit: Hugo90 via photopin

Click to rate this post!
[Total: 3 Average: 1]

3 Gedanken zu „Carsharing: Kostenkalkulation aus Sicht eines Anbieters“

  1. Sorry, aber das ist wirklich richtig, richtig schlecht recherchiert!
    Bitte – wie kommt man darauf, dass Drive-Now 50% für den Wagen bezahlt.
    Sixt ist der größte Abnehmer von BMW weltweit, dennoch liegen die Einkaufskonditionen maximal bei 25-30% unter dem Listenpreis.

    Thema Parken: Natürlich zahlen die Anbieter Parkgebühren und zwar für jede(!!!!) Minute. Bedingung um ein CarSharing-Fahrzeug in einer Grostadt zuzulassen ist eine registrierung bei einem Abrechnungsservice, der ganz normal und ohne jeden Rabatt die Parkgebühren über das GPS-Signal und einen Zeit-Stempel registriert und als Inkasso beim CarSharing-Anbieter für die jeweilige Stadt eintreibt.
    Es ist leider ein Märchen, dass die Städte ein Interesse an CarSharing haben – diese ist 0,00000 – LEIDER!

    VG und viel Spass bei der Recherche und Optimierung!

    Antworten
  2. Danke für die Infos. Ich hatte keinen Zugang zu Informationen, was ein Anbieter wie DriveNow für ein Auto an den Hersteller bezahlt und habe daher den Preis geschätzt. Ebenso wusste ich nicht, ob und in welcher Form Anbieter Parkkosten zahlen, daher habe ich mich an einem Zeitungsartikel vom Tagesspiegel orientiert. Offenbar wird dieses Thema jedoch von den Städten unterschiedlich gehandhabt.

    Antworten

Schreibe einen Kommentar