Selbsttest: Lohnt sich Schwarzfahren noch in 2024?

Gestern war ich mit einem Kumpel in Köln und an der Endhaltestelle Deutz versagten zwei Türen. So fuhren wir schnurstracks weiter aufs Abstellgleis. Immerhin ging es 15 Minuten später zurück nach Deutz. Grund genug für mich, an etliche ärgerliche Bahnerlebnisse in letzter Zeit zu denken.

Vor allem interessiert in Zeiten des Deutschlandtickets doch das ganze Land die Frage: Soll ich weiter schwarzfahren oder lohnt sich das nicht mehr? Das Deutschlandticket bleibt auch nach der Preiserhöhung im neuen Jahr recht günstig.

Ich habe mit einem Schaffner über das Thema gesprochen und den Selbsttest gemacht.

Man kommt immer mit Dreistigkeit durch…

Im Sommer war ich mit meinem Deutschlandticket in der Region Köln/Düsseldorf im Regionalzug unterwegs. Ich sah beim Einstieg, dass die Menschen in der zweiten Klasse schon in den Gängen standen. Also stellte ich mich in den Gang der ersten Klasse, wo noch recht wenig los war. Ansonsten war die erste Klasse erstaunlich gut gefüllt. Menschen nahmen immer mehr Sitzplätze ein.

Nach einiger Zeit stieg ein Fahrkartenkontrolleur zu und lief an mir vorbei ins Abteil. Er fing dort an zu kontrollieren. Eine junge Frau konnte kein Ticket vorweisen und bekam einen Strafzettel. Auf wundersame Art und Weise leerte sich plötzlich die erste Klasse. Leute erhoben sich von ihren Sitzplätzen und gingen rüber in die zweite Klasse.

Ich dachte mir: Ich bleib jetzt mal stehen. Ich habe immerhin ein gültiges Ticket für die zweite Klasse und da wird mir der Schaffner doch keine Strafe aufbrummen, nur weil ich in der ersten Klasse an der Tür stehe. Und die Bahn verteilt doch eh kaum Strafzettel. Ich kam mir auch ziemlich lässig vor, weil ich nicht wie andere Fahrgäste die Flucht ergriffen hatte. Und auch ein bisschen Neugier war dabei: Er wird mir doch nicht 60 Euro aufbrummen, ich habe ja ein Ticket.

Der Kontrolleur ging von hinten an mir vorbei und kontrollierte einen sitzenden Fahrgast. Innerlich trimphierte ich schon: Hatte ich mal wieder recht gehabt. Man kommt mit vielem durch als Bahnfahrer. Da nimmt der Kontrolleur plötzlich Notiz von mir und fragt nach meinem Ticket. Ich zeige ihm mein Deutschlandticket und er fragt nach einem Ticket für die erste Klasse. Habe ich nicht. Er sagt, ich müsse ihm mal meine Daten geben. Ich hatte es immer noch nicht gerafft, dass er mir damit den Strafzettel ausstellen wollte. Schließlich hielt ich das Knöllchen in der Hand, war angepisst und konnte mir einen kritischen Kommentar nicht verkneiffen.

Man kommt eben doch nicht immer mit Dreistigkeit durch.

Kontrolleure setzen die Regeln nicht durch

Als ich mich ein wenig beruhigt hatte, ging mir langsam auf, dass der Kontrolleur korrekt gehandelt hatte. Ich hatte kein Ticket für die erste Klasse, chillte aber dort mein Leben. Andere Fahrgäste ohne Ticket für die erste Klasse hatten sich erfolgreich der Kontrolle entzogen, aber das ändert ja nichts an meinem Fehlverhalten. Respekt an den Schaffner: Die Regeln durchgesetzt. Bestimmt ein schwieriger Job, wenn man ihn ernstnimmt, denn Freunde macht man sich ja weniger. Bei einigen Leuten muss man wohl auch mit Handgreiflichkeiten rechnen.

Ich hatte vorher etliche Kontrolleure erlebt, die ihren Job nicht ernstzunehmen schienen. Ich hatte erlebt, dass eine Familie ohne Tickets im ICE diese einfach nachkaufen konnte. Unzählige Male wurde ich gar nicht kontrolliert im ICE, sondern der Schaffner ging schnell durch die Gänge und fragte, ob noch jemand zugestiegen war. Sich nicht zu melden reichte aus. Ich hatte in Regionalzügen mitbekommen, wie Schwarzfahrer anstelle eines Strafzettels die Anweisung bekommen hatten, an der nächsten Haltestelle auszusteigen.

In einem Regionalzug kam ich mit einem Fahrkartenkontrolleur ins Gespräch. Dieser erzählte mir ganz offen, dass er insbesondere in den Ballungsräumen um Köln bestimmte Fahrgäste ohne Ticket aus dem Zug hinauswirft, statt ihnen eine Strafe aufzubrummen. Einerseits riskiere er körperliche Gewalt. Andererseits seien viele Menschen nicht willig, ihre Personalien anzugeben. Dann bleibe nur die Anforderung der Polizei an der nächsten Haltestelle – und dann stehe der Zug für längere Zeit im Bahnhof – auf Kosten aller anderen Fahrgäste. Es gehört also offensichtlich einiges an Idealismus dazu, wenn Fahrkartenkontrolleure die Regeln durchsetzen wollen.

Maßnahmen gegen die Misere

Massenhaftes Schwarzfahren ist ein Problem für die Bahn, weil Einnahmen wegfallen. Und es ist unfair für die ehrlichen Ticketkäufer.

Was kann die Bahn tun für weniger Schwarzfahren?

1. Schaffner besser schützen

Schaffner*innen treten teilweise schon heute nicht alleine auf, sondern haben einen Partner an ihrer Seite. Im besten Fall einen Schrank mit Schwarzgurt in einer Kampfsportart. Ist natürlich teurer für die Bahn, kann sich aber rechnen. Ideal wäre, wenn der Schrank mit Schwarzgurt auch noch einen Elektroschocker mitführen dürfte, um unbeugsame Kunden schnell auszuschalten.

2. Provisionen zahlen an Schaffner

Bei öffentlichen Unternehmen wie der Bahn scheint das selten vorzukommen. In Bayern erhielten Kontrolleure um 2007 einen Euro Provision pro erwischtem Schwarzfahrer. Toll, da lohnt es sich ja richtig, Prügel zu riskieren.

Die Kölner-Verkehrsbetriebe zahlen keine Provision – und berichten von häufigen Übergriffen auf Ihr Personal. Da ist die Motivation, Leute zu erwischen, vermutlich auch eher gering ausgeprägt.

3. Neues System einführen

In Ländern wie Japan gilt ein Schranken-System. Nur wer ein gültiges Ticket hat, gelangt an den Bahnsteig. Sicherlich sehr kostspielig, sowas in Deutschland einzuführen. Aber das sollte die Bahn mal durchrechnen.

Schwarzfahren erscheint weiterhin lukrativ

In der Vergangenheit hat die Bahn vermutlich das Schwarzfahrerproblem, so wie andere Themen, nicht sonderlich aktiv bearbeitet. Leider lohnt sich also vermutlich aus rein ökonomischer Perspektive das Fahren ohne Ticket weiterhin. Insbesondere für Wenigfahrer.

Das Management wird sich bei Finanzlücken vermutlich eher auf den Bund als 100%igen Eigentümer verlassen, wenn der wirtschaftliche Druck steigt, statt dieses schwierige Thema anzugehen.

Click to rate this post!
[Total: 1 Average: 5]

1 Gedanke zu „Selbsttest: Lohnt sich Schwarzfahren noch in 2024?“

  1. Ich finde es erstaunlich, wie der Autor uns immer wieder selbstkritisch an seinen moralischen Fehltritten teilhaben lässt. Da könnte sich manch ein Politiker mal eine Scheibe von abschneiden.

    Antworten

Schreibe einen Kommentar