Steuergesetze: Die zwei Pole und der Zusammenhang mit Bürokratie

Ich erinnere mich noch an einen lange vergangenen Bundestagswahlkampf im Jahr 2004, als auch das Thema Steuerreform von den Parteien thematisiert und von der Öffentlichkeit aufgegriffen wurde.

Ein gewisser Paul Kirchhoff erarbeitete in Eigenregie ein Konzept, nach dem eine Steuererklärung so einfach sein müsse, dass sie auf einen Bierdeckel passt. Damals setzte ihn die CDU/CSU-Fraktion in ihrem Wahlkampf-Team ein.

Was ist der Hintergrund für diese Idee? Hier geht es um die Pole Steuergerechtigkeit und Einfachheit, das Ganze verbunden mit Bürokratie.

Vereinfacht gesagt bewegt sich ein Steuersystem zwischen den Polen Gerechtigkeit und Einfachheit. Tendenziell gilt: Je mehr Wert auf Gerechtigkeit gelegt wird, desto komplexer das Steuersystem und desto höher die bürokratischen Kosten.

Zur Veranschaulichung betrachten wir einmal die beiden Extremfälle anhand von Beispielsystemen:

Maximale Einfachheit: Scheuerschuld ist fixer Geldbetrag

Das einfache Modell: Jeder Mensch muss einen bestimmten Geldbetrag X pro Jahr als Steuerleistung erbringen. Das heißt: Völlig unabhängig von der persönlichen Situation schuldet jeder Mensch dem Staat einen fixen Geldbetrag.

Der bürokratische Aufwand ist in diesem Fall minimal. Das Finanzamt prüft einzig, ob die Steuerschuld jedes Einzelnen auf dem Konto eingegangen ist und kümmert sich um die Durchsetzung der Ansprüche gegenüber denen, die noch nicht gezahlt haben. Dieses System ist einfach, aber viele Leute werden es wohl für ungerecht halten.

Das gerechte Steuersystem: Hier ist wichtig, dass Gerechtigkeit ein subjektives Empfinden ist. Ich habe mir bereits Gedanken gemacht zum Thema Entlohnung: In drei Teilen geht es darum, ob Millionengehälter gerecht sind.

Maximale Gerechtigkeit: Einzelfallprüfung bis ins kleinste Detail

Wie könnte also ein gerechtes Steuersystem aussehen? Jeder einzelne Steuerzahler zahlt nicht nur abhängig von der Höhe des eigenen Einkommens, sondern auch in Abhängigkeit vom Aufwand, mit dem er dieses Einkommen erzielt hat. Eine Steuerbehörde muss dann also ermitteln: Wie viele Stunden hat der Steuerschuldner zur Erwirtschaftung des Einkommens eingesetzt? Wieviel Vorbildung war dazu notwendig?

Dann muss natürlich die persönliche Lebenssituation des steuerpflichtigen Bürgers berücksichtigt werden. Hat er besondere private Belastungen? Ist er psychisch und körperlich gesund?

Und wie ist er aufgewachsen? Bekanntlich ist es für Kinder in bildungsfernen Familien schwerer, hohe Bildungsabschlüsse zu erreichen. Diese Schwierigkeiten, selbstverständlich im Einzelfall zu prüfen, sollten dann zu geringerer Steuerbelastung führen.

Und wenn wir schon einmal dabei sind, dann müssen auch die geistigen Grundvorraussetzungen eines Menschen in das Steuersystem miteingehen. Wer nicht sonderlich gesegnet ist mit Talent, sondern stattdessen viel über den Willen und Kampf erreicht hat, dem könnte dies steuermindernd angerechnet werden.

Maximale Gerechtigkeit: Bürokratie ohne wirtschaftliche Produktion

Doch man stelle sich einmal den bürokratischen Aufwand dahinter vor. Heerscharen von Medizinern, Psychologen, Intelligenztestern und Steuerprüfern wären unendlich lange damit beschäftigt, den biografischen Hintergrund jedes Einzelnen zu durchleuchten, um dessen gerechte Steuerschuld zu ermitteln. In diesem Fall würden so viele Menschen für das Finanzamt arbeiten müssen, dass kaum noch jemand woanders arbeitete.

Die gesamte Finanzamtsbürokratie würde sich also gegenseitig begutachten und über einander Steuerschulden ermitteln, während gar keine Produkte und Dienstleistungen mehr hergestellt werden. Staatspleite unausweichlich.

Das ist also auch kein Steuersystem, das den Menschen dient. Vielleicht befinden wir uns mittlerweile näher am Extremfall der totalen Gerechtigkeit als an dem der maximalen Einfachheit. Für viele Menschen und Unternehmen kann es hilfreich sein, sich online einen Steuerberater zu suchen.

Wie sieht nun ein ausgewogenes Steuersystem aus? Der Ökonom wird sagen, dass in einem System die Zusatzkosten für mehr Steuergerechtigkeit mindestens dessen zusätzlichen Erträgen entsprechen müssen. In einem System mit steigenden Zusatzkosten je weiterem Steuerparagraphen und sinkenden Zusatznutzen mit jeder weiteren Vorschrift ergibt sich ein Gleichgewicht.

Problem: Während sich die zusätzlichen Kosten einer weiteren Vorschrift noch relativ genau ermitteln lassen, ist dies bei der Bewertung des Zusatznutzens viel schwieriger. Wieviel Geld ist es wert, dass Pendler mittels Pendlerpauschale den Arbeitsweg steuerlich absetzen können? Da fangen die Probleme an.

Einfache Leute verstehen komplexe Systeme nicht mehr

Aufgrund des schwer zu ermittelnden Nutzens von mehr Steuergerechtigkeit tendiert unser System dazu, immer komplizierter zu werden. Was paradoxerweise dann den Effekt hat, dass es weniger gerecht wird. Denn je umfangreicher das System, je mehr Vorschriften und Regeln und Möglichkeiten Leute beachten müssen, desto eher finden Spezialisten Schlupflöcher. Je schwieriger das System, desto mehr Probleme haben Leute, für die neue Gesetze und Paragraphen vor allem gedacht sind: Normale Leute mit vielen Belastungen, für die das Steuersystem jedoch zu kompliziert ist.

Um es zusammenzufassen: Im Steuersystem geht es um eine Balance zwischen Einfachheit und Gerechtigkeit. Mehr Gerechtigkeit führt zu steigender Bürokratie. Der Zusatznutzen einer Vorschrift im Sinne eines Zugewinns an Gerechtigkeit lässt sich nur schwer messen. Daher wird unser Steuersystem immer komplizierter. Höhere Komplexität wiederum senkt die Gerechtigkeit, weil normale Leute Probleme haben, ihre Steuerlast zu mindern.

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