Über Soziale Beziehungen

Mein letzter Artikel war aus meiner Sicht sehr wertvoll. Wenn man sich das Ganze durchliest, dann wirkt es banal, doch in der Welt der Menschen sind Erkenntnisse nur schwer zu gewinnen. Das ähnelt dem Schürfen von Gold – man muss eine Menge Dreck und Steine durch sein Sieb jagen, ehe man einen winzig kleinen Goldklumpen gewonnen hat.

Im letzten Artikel ging es um Leistung. Wenn man sich darauf einigt, dass Menschen Anerkennung und Geld nach ihrer Leistung bekommen sollten, dann stellt sich zunächst einmal die Frage, was Leistung genau ausmacht – bewertet man gerechterweise Talent mit oder nur Wille / Disziplin. Und dann gilt es die verschiedenen Bedingungen zu berücksichtigen, unter denen Leistung erbracht wird. Da kann der Hochschulabschluss eines Kindes von Hartz4-Eltern eine größere Leistung sein als der Doktortitel eines Akademikersohns.

Auch menschliche Beziehungen folgen der Logik des Marktes. Es wirkt jetzt hart, ich bin mir auch nicht ganz sicher. Das erinnert mich an die Passage im Film Nightcrawler, in der Jake Gyllenhall der TV-Nachrichtenchefin ganz kapitalistisch vorrechnet, warum es sich für diese auszahlt, mit ihm Sex zu haben. Manch eine Frau mag sogar an die Sexismus-Debatte denken und an die unzähligen Fälle, in denen Männer ihre Macht gegenüber Frauen ausgenutzt haben. So etwas will ich auf keinen Fall gutheißen. Das ist auch ein anderes Thema.

Bleiben wir mal bei freien Beziehungen. Wenn Menschen Freundschaft schließen oder eine Paarbeziehung eingehen, dann bringt der andere Mensch offenbar Merkmale mit, die der andere attraktiv findet. Das kann sein, dass der andere Mensch unterhaltsam ist, sich gut anzieht, gut aussieht oder mir bei Computerproblemen helfen kann. Das können auch die fehlenden Manieren oder die Faulheit oder die fehlenden sozialen Kompetenzen der anderen Person sein, wenn ich mich neben dieser Person immer zivilisiert fühle und fleissig.

Alle Handlungen eines Menschen sind letztlich egoistisch

Selbst wenn ich einem Obdachlosen einen Euro in den Becher werfe, dann mache ich das aus Eigennutz. Weil ich mich dann besser fühle. Vielleicht weil mir meine Eltern eingetrichtert haben, dass es wichtig ist, anderen zu helfen und es sich deshalb gut anfühlt. Vielleicht auch, weil ich gerne vor den beobachtenden Passanten als edler Mensch darstehen möchte oder weil ich den Obdachlosen sympathisch finde und mich freue, wenn er sich bei mir bedankt.

Bild: Wenn Männer Schweine sind, dann gilt das gleiche für Frauen. Mindestens.

Diese Logik wurde mir schon im Philosophieunterricht der siebten Klasse deutlich, als ich realisierte, dass es echten Altruismus nicht gibt. Was ich tue hat unweigerlich mit meinem eigenen Nutzen zu tun. Und doch hadere ich mit dieser Sichtweise. Gerade wenn es mir schlechtgeht, dann hadere ich mit der Natur des Menschen. Mir ist grad auch kalt beim Schreiben. Der kalte Marktmechanismus, der auch für den mir so wichtigen Bereich der menschlichen Beziehungen gilt?

Als ich die Vorlage für diesen Text runterschrieb, da ging es mir auch so. Als ich die kalte Marktlogik auf den sozialen Bereich übertragen habe. Doch ich kam zu einem versöhnlichen Abschluss.

Vielleicht hilft es schon zu sagen, dass es eine gute Qualität ist, anderen Menschen zu helfen. Selbst wenn Menschen nur deshalb Geld nach Afrika spenden, um sich als bessere Menschen zu fühlen. Hauptsache, das Geld wird gespendet, oder?

Naja, ich denke, es macht längerfristig einen Unterschied, ob ich spende, um mich als besserer Mensch zu fühlen oder ob ich Mitgefühl mit leidenden Menschen empfinde. Wenn ich aus ersterem Grund spende, dann ist einerseits der Nutzen für mich selbst zweifelhaft – doch noch wichtiger: Wahrscheinlich denke ich irgendwann, dass es keinen Sinn macht, andere zu unterstützen. Das neue Iphone kommt doch grad auf den Markt, oder?

Warum ist es ein Problem, anderen zu helfen und sich dadurch gut zu fühlen?

Währenddessen scheint mir Mitgefühl ein stabilerer Zustand zu sein. Etwas, das für längere Zeit dafür sorgt, dass ich mich um andere Menschen kümmere.

Wenn ich Mitgefühl kultiviere, dann gelingt es mir auch immer besser, das Wohl anderer in meine Glücksmatrix einzubinden. Wir landen, wie im vorangegangenen Text, wieder beim Buddhismus. Selbst wenn ich Mitgefühl kultiviert habe und oft aus diesem Grund handle – ich handle immer noch aus Eigennutz. Doch der Markt ist nicht mehr kalt – er fühlt sich warm an. Dazu passt auch das Prinzip von der Leere der Dinge. Jeder Mensch ist vollständig durch seine Umgebung – die Genetik und sämtliche Erfahrungen des Lebens – definiert. Es gibt keine Eigenschaft, die dem Menschen inhärent ist, also innewohnt. Doch kann man daraus ableiten, wie es der Dalai Lama predigt, dass es sinnvoll ist, Mitgefühl für alle Menschen zu entwickeln? Oder ist der engere Kreis von Familie, Freunden und Bekannten besser? Ich weiss es nicht.

Wie kann ich als Mensch Mitgefühl aufbauen? Da kann euch ein buddhistischer Mönch sicher besser weiterhelfen als ich. Nach meiner Vorstellung hilft dabei jedoch, wenn ich mich selbst gut entfalten und verwirklichen kann. Wenn meine Bedürfnisse gut abgedeckt sind, dann habe ich Raum und Kapazitäten, um mich um andere Dinge oder auch Menschen zu kümmern.

Bewertung des ständigen Egoismus abhängig von der eigenen Stimmung

Letztlich ist die Bewertung der Welt auch immer von der eigenen Stimmung abhängig. Fühle ich mich gerade einsam, nicht verbunden mit anderen Menschen: Ich werde die kalte Marktlogik für sinnvoll halten. Doch fühle ich mich gerade wohl in einer guten Gruppe mit tollen Menschen? Dann werde ich, auch wenn ich das Prinzip des Eigennutzes anerkenne, wohl eher fühlen, dass dieser Beziehungsmarkt in Ordnung ist.

Es wird immer Menschen geben, die aus dem System fallen. Leute, die kaum einer mag, weil sie sperrig sind. Da kann es ganz edle Menschen geben, die auf andere kalt und abweisend wirken. Der Staat muss dafür sorgen, dass auch diese Menschen die Möglichkeit haben, sich zu entwickeln und Beziehungen aufzubauen. Wenn ihnen das wichtig ist.

photo credit: Tortured Mind Communicating via photopin (license)

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3 Gedanken zu „Über Soziale Beziehungen“

  1. Lieber Steffen,

    vielen Dank für den spannenden und auch recht persönlichen und damit mutigen Artikel! Es ist sicher ein nicht ganz einfaches Thema, über das ich auch schon recht viel nachgedacht habe: Gibt es echten, reinen Altruismus, oder sind die “kosmischen Gesetzmäßigkeiten” derart gestaltet, dass sich das Streben eines jeden Dings letztendlich immer auch im Rahmen des Eigennutzes bewegt? Und ist der Eigennutz denn überhaupt so negativ zu bewerten, wie er im Allgemeinen oft bewertet wird? Ist es nicht edel, als Gleicher unter Gleichen sowohl nach dem eigenen, sowie dem Wohle derer, die man liebt, zu streben?
    So viel dazu von meiner Seite 🙂

    Liebe Grüße

    Hendrik

    Antworten
    • Danke für Deinen Beitrag, Hendrik.

      Ich weiß nicht genau, ob ich es edel nennen würde, wenn man im rahmen des eigennutzes, als gleicher unter gleichen, wie du es beschreibst, auch für andere gutes tut. Aber doch, vermutlich kann man auch diese Einstellung trainieren. Selber für andere gutes zu wollen und dann diese win-win-situationen herzustellen, wie wir wirtschaftsleute sagen.

      Vielleicht hat das auch was mit langfristigem denken und handeln zu tun. Kurzfristig kann es sich vielleicht sogar besser anfühlen, wie rambo durch die stadt zu laufen. Langfristig ist Kooperation aber in jedem fall eine gute strategie – selbst wenn es nur um den austausch materieller Güter geht.

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