Ist der Mensch ein rationaler Egoist?

Im Zusammenhang mit ausufernden Managergehältern, Call Center-Agenten, die vor allem älteren Menschen am Telefon das Geld aus der Tasche ziehen und Fernsehsendern, die mit dubiosen Telefongewinnspielen ihren ökonomischen Gewinn maximieren, stellt sich die Frage, ob Menschen tatsächlich nur auf den eigenen materiellen Vorteil bedacht sind und darauf pfeiffen, auf wessen Kosten sie ihren materiellen Gewinn maximieren.

Die klassische Wirtschaftstheorie geht dazu passend davon aus, dass Menschen ausschließlich auf ihren eigenen materiellen Vorteil bedacht sind und zudem rational handeln. Hierbei spricht man vom Homo Oeconomicus-Modell (HO-Modell). Ein relativ neuer Forschungszweig der Wirtschaft beschäftigt sich damit, ob diese Grundannahme zutreffend ist oder ob Menschen auch andere Ziele haben, auf deren Grundlage sie ihre Entscheidung treffen.

Bild: Gilt der Spruch: ,,Nur Bares ist Wahres” oder sind den meisten Menschen auch andere Dinge wichtig?

Dazu werden Experimente mit Versuchspersonen gemacht. Dabei können die Teilnehmer durch ihre Entscheidung in einfachen Spielen sowohl die eigene, als auch die Auszahlung des Mitspielers beeinflussen. Das wohl simpelste Spiel hierbei ist das Diktatorspiel. Dabei bekommt einer der beiden Spieler, Spieler 1, einen bestimmten Geldbetrag zugewiesen, den er auf sich und einen weiteren Teilnehmer, Spieler 2, aufteilt. Spieler 2 bekommt also den Anteil, den ihm der erste Spieler zugesteht und kann seinerseits keine Entscheidung treffen. Das HO-Modell sagt bei diesem Spiel vorher, dass Spieler 1 den Geldbetrag für sich behält und seinem Mitspieler nichts abgibt.

Entscheider geben im Allgemeinen etwas vom Kuchen ab

Die vielen Studien, die auf Grundlage dieses Spiels erstellt wurden, zeigen jedoch: Spieler 1 gibt im Durchschnitt ca. 20% des Gesamtbetrages ab. Hierbei ist zu beachten, dass die Ergebnisse in Abhängigkeit von der Versuchsanordnung variieren. So sind etwa im Falle von Anonymität zwischen Spieler 1 und Spieler 2, d.h. Spieler 2 weiss nicht, von wem der Versuchsteilnehmer er ,,seinen” Geldbetrag erhalten hat, die von Spieler 1 abgegebenen Beträge geringer, als wenn sich Spieler 1 und Spieler 2 gegeübersitzen und vorher einige Worte wechseln dürfen. In jedem Falle gilt jedoch, dass das HO-Modell durch die Ergebnisse von Diktatorspiel-Experimenten widerlegt wird.

Ein weiteres sehr bekanntes Spiel ist das Ultimatumspiel. Im Ultimatumspiel bekommt Spieler 1, wie im Diktatorspiel, einen bestimmten Geldbetrag. Wiederum wählt er eine Aufteilung auf sich und den Mitspieler, wobei nun jedoch Spieler 2 entweder die von Spieler 1 gewählte Aufteilung annehmen kann, worauf diese wie vorgeschlagen durchgeführt wird, oder diese ablehnt. Falls sich Spieler 2 für die Ablehnung entscheidet, bekommen beide Spieler kein Geld. Das HO-Modell sagt hier vorher, dass Spieler 2 jeden Vorschlag von Spieler 1 annimmt, der ihm einen höheren Geldbetrag als 0 garantiert. Da Spieler 1 dieses Verhalten von Spieler 2, antizipiert, wird er nach HO-Modell Spieler 2 daher auch den kleinstmöglichen Geldbetrag anbieten.

Beispiel zum Ultimatumspiel:

Spieler 1 bekommt vom Experimentleiter 100 Euro. Er macht Spieler 2 nun ein Angebot über die Aufteilung des Betrages. So schlägt er beispielsweisevor, dass sein Mitspieler 20 Euro bekommt und er 80 Euro für sich behält. Spieler 2 hat nun zwei Optionen: Entweder er nimmt den Vorschlag an und er erhält die 20 Euro (und sein Mitspieler 80) oder er lehnt das Angebot ab und beide Spieler erhalten kein Geld.

Das menschliche Verhalten in Experimenten widerlegt jedoch auch hier die Vorhersage des HO-Modells. Die zweiten Spieler, auch Responder genannt, lehnen mit großer Wahrscheinlichkeit Angebote, die ihnen weniger als 20% des Gesamtbetrages zugestehen, ab. Offenbar legen sie neben ihrer eigenen materiellen Auszahlung auch Wert darauf, die Proposer für zu geringe Angebote zu bestrafen und sind bereit, für das Erreichen dieses Zieles auf Geld zu verzichten. Die ersten Spieler, auch Proposer genannt,  bieten im Durchschnitt ihrem Mitspieler deutlich mehr als im Diktatorspiel an, da sie offenbar die Ablehnung der Responder fürchten und sich deshalb strategisch verhalten.

Es gibt sie, die materialistischen Egoisten

Sind also die eingangs beschriebenen Phänomene nur Einbildung? Gibt es keine materialistischen und egoistischen Menschen? Die Ergebnisse ökonomischer Experimente sagen dazu, dass der durchschnittliche Mensch auch altruistisch (und im Ultimatumspiel auch aufgrund von Vergeltungspräferenzen) handelt. Das beinhaltet jedoch auch, dass es einen geringen Prozentsatz gibt, der im Sinne des HO-Modells handelt. Die Ergebnisse von A. Franzen und S. Pointner von der RWTH Aachen beispielsweise besagen, dass in Diktatorspielen zwischen 4 und 11% der ersten Spieler den gesamten Geldbetrag für sich behalten(hier kann ihre Studie als pdf-Datei heruntergeladen werden).

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